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Freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige

Arbeitslosenversicherung für Selbstständige zu teuer - Zahl der Antragsteller und der Versicherten geht dramatisch zurück


Die Zahl der Gründer, die eine Aufnahme in die Arbeitslosenversicherung für Selbstständige beantragt haben, ging zwischen dem ersten Halbjahr 2010 und dem zweiten Halbjahr 2011 um mehr als die Hälfte zurück, von fast 60.000 auf knapp über 27.000.

1. HJ 2010: 59.522 (74%) Antragsteller
2. HJ 2010: 41.127 (62%) Antragsteller
1. HJ 2011: 38.670 (60%) Antragsteller
2. HJ 2011: 27.154 (39%) Antragsteller

Da sich die Antragsteller fast ausschließlich aus Empfängern von Gründungszuschuss rekrutieren, haben wir die Zahlen zueinander ins Verhältnis gesetzt: In den ersten sechs Monaten 2010 beantragten 74 Prozent der mit Gründungszuschuss Geförderten die Aufnahme in die "freiwillige" Arbeitslosenversicherung. Im zweiten Halbjahr 2011 betrug der Anteil nur noch 39 Prozent.

Der Grund für den starken Rückgang: Ende 2010 betrug der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung für Selbstständige monatlich 18 Euro (neue Bundesländer: 15 Euro). Durch ein von Ursula von der Leyen initiiertes Gesetz haben sich die Regelbeiträge zum Jahresbeginn 2011 und 2012 jeweils verdoppelt, sodass sie inzwischen 79 (67) Euro pro Monat betragen! Die Erhöhungen wurden bereits im zweiten Halbjahr 2010 bekannt, woraufhin viele Gründer schon damals auf einen Beitritt verzichteten.

Der hohe Beitrag steht unseres Erachtens in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen. Der erworbene Arbeitslosengeldanspruch liegt bei vielen Gründern nur geringfügig über dem, was sie auch an Arbeitslosengeld II erhalten würde. Das gilt vor allem für Gründer, die nicht über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss verfügen und bei gleichem Beitragssatz weniger Arbeitslosengeld erhalten.

Alle, die noch Mitglied in der Versicherung sind, sollten abwägen, ob das Risiko einer Arbeitslosigkeit den Beitrag rechtfertigt. Informieren Sie sich, wie viel Arbeitslosengeld Sie im Leistungsfall überhaupt erhalten würden. Eine reguläre Kündigung der Versicherung ist zwar erst nach fünf Jahren möglich. Wer die Beitragszahlungen einstellt, wird aber nach drei Monaten automatisch aus der Versicherung ausgeschlossen. Der Versicherungsschutz besteht trotzdem noch bis zu zwölf Monate fort.

Auf den ersten Blick hat sich die Beitragserhöhung für die Bundesagentur für Arbeit gelohnt: Die Beitragszahlungen haben sich von 20 Millionen Euro pro Halbjahr in 2010 auf circa 38 Millionen Euro pro Halbjahr in 2011 erhöht. In den ersten fünf Monaten 2012 lagen die Beitragszahlungen bei 53 Millionen Euro oder umgerechnet auf das ganze erste Halbjahr bei deutlich über 60 Millionen Euro. Den steigenden Einnahmen dürfte allerdings eine immer negativere Risikoselektion gegenüber stehen: Wer trotz steigender Beiträge in der Versicherung verbleibt, dürfte tendenziell ein deutlich höheres Arbeitslosigkeitsrisiko aufweisen.

Die Zahlen sind das Ergebnis einer Anfrage der Bundestagsabgeordneten Brigitte Pothmer an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen kommentiert: "Während sich die Kasse der Bundesagentur für Arbeit füllt, nimmt der Schutz der Selbstständigen ab: die Beitragseinnahmen sind um circa 165 Prozent angestiegen, aber die Neuzugänge an Selbstständigen in der Arbeitslosenversicherung haben um 53 Prozent abgenommen."

Leider fragte Pothmer nicht nach der absoluten Zahl der versicherten Selbstständigen. Interessant ist ja auch, ob bereits Versicherte die Erhöhungen zum Anlass für einen Austritt genommen haben.

Allerdings lässt sich die Zahl der Versicherten durch Division der Beitragseinnahmen und der Beiträge ermitteln. Wir schätzen die Zahl der Versicherten wie folgt:

1. HJ 2010: 189.700 Versicherte
2. HJ 2010: 194.400 Versicherte
1. HJ 2011: 172.200 Versicherte
2. HJ 2011: 166.400 Versicherte
1. HJ 2012: 161.500 Versicherte

Obwohl es sich um eine relativ junge Versicherung handelt, deren Mitgliederzahl eigentlich von Jahr zu Jahr wachsen sollte, reichen die Zugänge nicht mehr aus, um die Abgänge zu kompensieren: Die Gesamtzahl der Versicherten nahm innerhalb von zwei Jahren um 15 Prozent ab.

Aus der Gesamtzahl und  der Zahl der Beitritte können wir wiederum Schlussfolgerungen auch auf die Zahl der Austritte (absolut und als Prozentsatz der zu Beginn des Halbjahres Versicherten) ziehen:

1. HJ 2010: -52.000 Austritte (-27%)
2. HJ 2010: -61.200 Austritte (-31%)
1. HJ 2011: -43.100 Austritte (-25%)
2. HJ 2011: -31.300 Austritte (-19%)

Laut unserer Hochrechnung haben in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 187.600 Selbstständige die freiwillige Arbeitslosenversicherung verlassen, das entspricht fast der Zahl derjenigen, die im ersten Halbjahr insgesamt versichert waren. So gesehen wurde der Versichertenbestand ein mal komplett umgewälzt. Ein Großteil der Versicherten (nämlich vermutlich die gut informierten, die auch tendenziell ein besseres Risiko darstellen) hat die Versicherung bereits bei Bekanntwerden der Erhöhungspläne im ersten und zweiten Halbjahr 2010 verlassen.

Angesichts stark zurückgehender Gründungszahlen werden 2012 nur noch wenige neue Mitglieder eintreten. Wir rechnen mit einem Rückgang von 80%. Wenn nicht bald Korrekturen bezüglich der Beitragshöhe zur ALV der Selbstständigen und insbesondere auch der Vergabe des Gründungszuschusses erfolgen, wird die 2006 erfolgreich gestartete Arbeitslosenversicherung für Selbstständige innerhalb von zwei bis drei Jahren ausbluten. Die Zahl der Mitglieder und die Beitragseinnahmen werden in den nächsten beiden Jahren dramatisch sinken und dann nicht mehr kostendeckend arbeiten können.

Im Rahmen des neu gegründeten Verbands der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) e.V. engagieren wir uns gegen Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen. Unterstützen Sie uns durch Ihre Mitgliedschaft.

Verfasst von gruendungszuschuss.de-Redaktion am 08.08.2012 10:45
http://www.gruendungszuschuss.de/?id=166&showblog=3247

Kommentare

Verfasst von Bianca Kubinski am 09.09.2016 18:04

Antwort:

Hallo Bianca,

es tut mir leid, dass der Antrag auf GZ-Verlängerung abgelehnt wurde. Ich würde dazu raten, den Verlängerungsantrag mit einer Beratung bei einem unserer Beratungspartner zu verbinde. Die kriegen eine Verlängerung in den allermeisten Fällen durch - oft hängt die Ablehnung an kleinen Fehlern, die der Berater schnell erkennen und "heilen" kann.

Ob Sie bereits wieder Anspruch auf ALG1 haben, hängt davon ab, ob Sie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Sie müssen dazu innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens 12 Monate Beiträge bezahlt haben. Wenn Sie gerade eben den Bezug von GZ beendent haben, ist Ihr Restanspruch von 150 Tagen bei Gründung in diesem Rahmen verrechnet worden und Sie haben erst 9 Monate Beiträge bezahlt, es fehlen also noch mindestens drei Monate.

Es hängt aber auch vom Alter ab und es gibt "kurze Anwartschaftszeiten". Ich würde mir von Ihren Ansprechpartnern bei der Arbeitsagentur die genauen Voraussetzungen in Ihrem Einzelfall nennen lassen., damit Sie ganz sicher sein können.


Verfasst von Peter Hutter am 22.08.2012 13:31


Die Berechnungen zu Gesamtzahl der Versicherten und den Austritten enthielten einen Fehler. Diesen habe ich korrigiert und den Text entsprechend angepasst. Andreas Lutz

Verfasst von Andreas Lutz am 12.08.2012 14:03


Ich habe eine Frage zur Berechnung des fiktiven Arbeitsentgeld bei ALG1.
Gilt das normale 2-Jahre Abitur gleichwertig wie ein "Fachschulabschluss", also das man in die "Qualifikationsstufe 2" eingestuft wird?

Verfasst von Lehmann am 08.08.2012 13:51

Antwort:

Da bin ich ehrlich gesagt auch überfragt. Fachschulabschluss vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Fachschule_%28Deutschland%29 ist nicht gleich Abitur, kann aber Voraussetzung für Abitur sein. Das spräche dafür, dass Abitur ausreicht. An anderer Stelle habe ich aber das Gegenteil gelesen und halte das für die wahrscheinlichere Variante. Bitte googeln Sie selbst einmal (Stichwort: fiktive Bemessung Arbeitslosengeld + entsprechende Stichworte zur genauen Bezeichnung des Abschlusses) oder rufen Sie bei der Agentur an. Lassen Sie uns wissen, wenn Sie etwas herausfinden! Danke.

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