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Gründen aus der Anstellung

Fachanwalt: Vorgehensweise der Bundesagentur "rechtlich gewagt"


stoffers.gifIst die Neuinterpretation des Überbrückungsgeldanspruchs in Hinblick auf Gründer, die selbst gekündigt haben rechtlich haltbar? Der Mainzer Fachanwalt für Arbeitsrecht Fabian Stoffers nimmt dazu Stellung.

Die Bundesagentur für Arbeit hat ihren Runderlaß vom 22.03.2002 aufgehoben und hält nunmehr den durch Überbrückungsgeld ohne Sperrzeit finanzierten Übergang von der Beschäftigung in die Selbständigkeit bei Eigenkündigung des Arbeitnehmers nicht mehr für möglich. Die Bundesagentur für Arbeit geht sogar noch weiter: Sie will in diesen Fällen überhaupt kein Überbrückungsgeld mehr zahlen. In Ziffer 57.14 (1) der Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit vom Juni 2005 heißt es:

"Vermeidung von Arbeitslosigkeit in Sinne des § 57 Abs. 1 ist dann gegeben, wenn die Fortdauer des Beschäftigungsverhältnisses aus Gründen, die der Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, gefährdet ist und der Arbeitnehmer das Risiko der Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit abmildert. Dagegen führt eine eigenständige Kündigung zum Zweck der Gründung einer selbständigen Existenz das Risiko der Arbeitslosigkeit selbst herbei. Überbrückungsgeld kann in diesen Fällen nicht gewährt werden."

Diese Auffassung ist rechtlich gewagt: Nach § 119 (1) SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Daß ein solcher Zustand eintreten würde, wenn der Existenzgründer in spe eine selbständige Tätigkeit nicht aufnähme, wird wohl auch bei der Arbeitsagentur niemand ernsthaft bezweifeln. Und gerade diesen Zustand vermeidet der Existenzgründer.

Es ist wenig überzeugend, in den Begriff des "Vermeidens" die Freiheit von jeglicher Verantwortlichkeit für das Risiko der Arbeitslosigkeit hineinzuinterpretieren.

Nach § 57 (1) SGB III steht der Anspruch auf Überbrückungsgeld Arbeitnehmern zu, die „durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden.“ Mit Einfügung der Variante "vermeiden" durch das Job-AQTIV-Gesetz am 01.01.2002 sollte klargestellt werden, daß eine vorherige Arbeitslosigkeit nicht Voraussetzung für den Bezug von Überbrückungsgeld ist. Schon der Vergleich mit solchen Arbeitnehmern, die die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beenden, zeigt, daß der Gesetzgeber auch mit "vermeiden" eine Handlung im Auge hatte, die gleichzeitig mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit stattfindet und der keine subjektive Komponente innewohnt.

Die Frage der Beteiligung bzw. Verantwortung am Risiko der Arbeitslosigkeit ist keine Frage des "Vermeidens", sondern eine Frage der Sperrzeit. Nach § 57 (3) Satz 4 SGB III verkürzt sich nämlich die Dauer der Förderung entsprechend der Dauer der Sperrzeit, wenn die Voraussetzungen des Ruhens des Anspruchs bei Sperrzeit nach § 144 SGB III vorliegen (nicht etwa: wenn eine Sperrzeit verhängt wurde). Dafür, daß diese Regelung auf die Variante des "Vermeidens" keine Anwendung findet, liefert das Gesetz damit keinen Ansatzpunkt. Alle sperrzeitrelevanten Tatbestände, die bei nahtlosem Übergang von der Beschäftigung in die Selbständigkeit überhaupt in Frage kommen, sind aber nun mal solche, die mit einer Beteiligung bzw. Verantwortung am Risiko der Arbeitslosigkeit einhergehen (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, § 144 (1) Satz 2 Nr. 1 SGB III). Hat die Frage der Sperrzeit nach dem Willen des Gesetzgebers aber auch in der Variante des "Vermeidens" einen Anwendungsbereich, so läßt dies nur einen Schluß zu: Für die Frage des "Vermeidens" ist es völlig unerheblich, ob das Risiko der Arbeitslosigkeit durch den Arbeitnehmer herbeigeführt wurde oder nicht.

Die Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit ist reines Innenrecht und weder für den Bürger noch die Gerichte verbindlich. Dennoch ist damit zu rechnen, daß die Sachbearbeiter bei den örtlichen Arbeitsagenturen sich an den Text der Durchführungsanweisung halten werden und den Antrag auf Überbrückungsgeld ablehnen. Wer nicht bereit ist, zunächst einen Antrag auf Arbeitslosengeld zu stellen und seine Sperrzeit „abzusitzen“, um später Überbrückungsgeld zu beantragen, dem bleibt nur der Widerspruch. Da die Arbeitsagentur den Widerspruch im Zweifel zurückweisen wird, sollte sich der Existenzgründer auf ein Verfahren vor den Sozialgerichten einstellen, die teilweise mehr als ein Jahr brauchen, bevor sie einen ersten Termin festsetzen. Hoffen wir, daß es Existenzgründer gibt, die im Gründungsfieber noch die Nerven haben, einen solchen Musterprozeß einmal durchzuziehen.

 

Fabian Stoffers

Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht

 

Ballplatz 2A

55116 Mainz

 

Telefon: ++49 (6131) 143 83 25

Telefax: ++49 (6131) 143 83 29

Mobil: ++49 (179) 510 70 92

 

E-Mail: fs@ra-stoffers.de

Web: www.ra-stoffers.de

Verfasst von Andreas Lutz am 22.06.2005 22:05
http://www.gruendungszuschuss.de/?id=87&showblog=2044

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