Blog: News & Tipps

Gründungszuschuss

Wichtige rechtliche Änderungen, Tipps zu Steuer und Sozialversicherung, Ideen für mehr Erfolg vor und nach der Gründung - in unserem News-Blog berichten wir ganz aktuell. 

Arbeitsagentur unterstellt Selbständigen Sozialbetrug – Medien springen darauf an


(gruendungszuschuss.de) Missbrauchen Selbständige den Sozialstaat? Erschleichen Sie sich Hartz IV zur Aufstockung ihres Lebensunterhaltes, weil sie sich arm rechnen, ohne arm zu sein? In der Süddeutschen Zeitung vom 14. Juni spekuliert Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, darüber dass Selbständige ihr Einkommen so gestalten können, dass sie in der Hilfebedürftigkeit verbleiben – und das, obwohl er einräumt, dass „wir keine Empirie darüber haben, ob und wie oft das vorkommt“.

Die Gewerkschaft Verdi vermutet Stimmungsmache gegen Selbständige hinter diesen Unterstellungen, zumal  demnächst ein Gesetzesentwurf verabschiedet wird, wonach der für Selbständige oft unentbehrliche Gründungszuschuss beschnitten wird – „da kann ein bisschen Stimmungsmache gegen diese ‘Schmarotzer‘ nicht schaden“, mutmaßt die Gewerkschaft in einem Papier.

Fakt ist gemäß Arbeitsagentur-Statistik: Jeder zehnte Hartz-IV-Aufstocker ist selbständig, 90 Prozent sind angestellt. Die Zahl der Selbständigen dieser Gruppe hat zwischen 2007 und 2010 um mehr als 50.000 Personen auf im Jahresdurchschnitt 125.000 zugenommen – im Februar 2011 hat die BA knapp 118.000 selbständige Aufstocker gezählt. Rund 85.000 von ihnen haben über ein Einkommen von weniger als 400 Euro verfügt, 25.000 haben bis zu 800 Euro verdient, der Rest etwas mehr. Gemessen an der Gesamtzahl der Selbständigen handelt es sich um eine sehr kleine Zahl.


Arbeitsvermittler seien aufgrund dieser Zahlen alarmiert: Sie befürchten einen Missbrauch, denn Selbständige könnten ihr Einkommen herunterrechnen, so dass sie nur mehr ein Gehalt unter dem Existenzminimum beziehen – ohne tatsächlich bedürftig zu sein. Es tauchten in den Agenturen sogar Firmeninhaber mit mehreren Mitarbeitern auf, die Hartz IV beantragen, und es auch bekommen.

Ob es sich dabei tatsächlich um Selbständige handelt, die mit einem Porsche als Dienstwagen vorfahren, oder ob es sich um Selbständige in einer Krise handelt, denen kein eigenes Gehalt bleibt, weil sie zwei Arbeitsplätze für Mitarbeiter geschaffen haben – diese Antwort bleiben die Vermittler schuldig. Ferner gibt es keine Hinweise darauf, ob es sich bei der gestiegenen Zahl der Antragsteller um Personen handelt, die seit längerem selbstständig sind und deren Geschäft neuerdings aus dem Ruder gelaufen ist – oder ob wiederum immer mehr Hartz-IV-Bezieher den Ausweg aus der Arbeitslosigkeit in der Selbständigkeit suchen. Ebenfalls offen ist, welche Berufe besonders betroffen sind. Das Bundesarbeitsministerium lehnte eine Stellungnahme hierzu bisher ab, so die Nachrichtenagentur dapd.

Fakt ist jedoch, dass es klare Regeln gibt, unter welchen Bedingungen der Lebensunterhalt durch staatliche Förderung aufgestockt werden kann – und wer diese erfüllt, hat Anspruch, wer nicht, der nicht. Heinrich Alt hält es dennoch für nötig, darüber nachzudenken, ob sich die Grundsicherungsleistung für Selbständige zeitlich begrenzen lasse. Irgendwann müsse man schwarze Zahlen schreiben oder - so weh es tut - die Selbständigkeit aufgeben. „Der Steuerzahler kann nicht auf Dauer eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren", sagte er.

Tatsächlich können die Agenturen und Argen schon jetzt von jedem Aufstocker verlangen, dass er sich auf Stellenangebote bewirbt und die unrentable Selbständigkeit aufgibt oder im Nebenerwerb fortsetzt, wenn er eine solche Stelle findet. Findet er keine Stelle, so ist es allemal besser, er verdient einen Teil seines Einkommens durch die Selbständigkeit als ganz von Hartz IV abhängig zu werden.

Ministerin von der Leyen forderte trotzdem heute postwendend öffentlich von der Bundesagentur für Arbeit, sie möge solchen Missbrauch verhindern. Die FDP lehnte die Überlegungen dagegen ab. Jeder, der seinen Lebensunterhalt "auch nur teilweise aus eigener Kraft bestreitet, hat die Anerkennung der Gesellschaft verdient", sagte der Obmann der FDP-Fraktion im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, Pascal Kober, nach Angaben der Nachrichtenagentur dapd. "Aufstocken ist nichts Ehrenrühriges."  Es müsse vielmehr sichergestellt werden, dass Bedürftige "eine kompetente und zielführende Beratung durch die Jobcenter" erhielten. Deren Mitarbeiter müssten in die Lage versetzt werden, Gründungsideen und Geschäftsmodelle genauer zu bewerten. "Persönliche Betreuung hilft deutlich mehr als starre Fristen, nach denen der Regelsatz gekürzt wird", betonte Kober.

Uns und viele unserer Gesprächspartner bei den Arbeitsagenturen erstaunt, welches Medienecho die Angriffe auf die Selbständigen gestern hervorgerufen hat, während die geplanten Kürzungen des nachweislich erfolgreichen Arbeitsmarktsinstruments Gründungszuschuss kaum von den Journalisten aufgegriffen wurden. Die Presse reagiert reflexhaft. Ein TV-Sender zeigt Bilder von Selbständigen mit Porsche und Pool, die Hartz IV beantragen und stellt dies als Regelfall dar, weil sich damit Quoten erzielen lassen. Selbst seriöse Medien berichten den ganzen Tag über dieses Thema, während sie die massiven Kürzungen beim Gründungszuschuss weitgehend ignorieren. Traurig.

Verfasst von gruendungszuschuss.de-Redaktion am 15.06.2011 10:58
http://www.gruendungszuschuss.de/?id=52&showblog=3020

Kommentare

Verfasst von h.h.j. schuett am 14.09.2011 18:59

Antwort:

Hallo,


vielen Dank für Ihren Beitrag. Das hört sich ja wirklich furchtbar an. Ob man Ihre Erfahrung aber in der Form verallgemeinern sollte, dass man als Hartz-IV-Empfänger sich auf keinen Fall selbständig machen sollte, möchte ich allerdings in Frage stellen.

Allerdings muss man wirklich aufpassen und darf den Gewinn, den man erzielt, nicht gleich wieder ausgeben. Zu einem sehr großen Teil will ihn nämlich der Staat haben bzw. er kürzt die Hilfe zum Lebensunterhalt entsprechend. Man sollte also die eigenen Zahlen sehr genau im Griff haben!

Ich habe mich zusammen mit Praktikern aus dem ALG2-Bereich im Rahmen einer Bundestagspetiton dafür eingesetzt, dass ähnlich wie beim ALG1/ Gründungszuschuss in den ersten neun (bzw. künftig sechs) Monaten keine Anrechnung des Gewinns stattfindet. Das würde viel Bürokratie und zumindest in dieser Zeit auch die von ihnen geschilderte Notlage verhindern helfen. Leider hat der Bundestag die Petition damals verworfen. 

Wenn in Berlin wieder eine andere Regierung an der Macht ist, sollten wir diese Petition auf jeden Fall noch einmal stellen!

Beste Grüße

Andreas Lutz


Verfasst von Gründungszuschuss für ALG zeitlich begrenzen am 03.07.2011 11:37


Verfasst von L. Schön am 01.07.2011 16:11


Verfasst von G.P. am 26.06.2011 21:26


Verfasst von Michael Köhler am 21.06.2011 06:32


Verfasst von Dr. Gudrun Wolf am 15.06.2011 13:49

Newsletter abonnieren oder Beitrag weiterempfehlen

Ihr Berater

Persönliche Beratung kompetent & auf den Punkt

Unsere Experten helfen Ihnen weiter

Liste unserer Berater

Fachkundige Stelle

Wir erstellen für Sie die fachkundige Stellung- nahme - bundesweit.
Mehr...

Gründungszuschuss-Workshop

Schneller und sicherer zum Zuschuss

  Mehr...

Rechner

Wie hoch ist Ihr Gründungszuschuss?
Jetzt ausrechnen