Gründung aus einer Transfergesellschaft (FAQ)
Gründung aus einer Transfergesellschaft (FAQ)
- 1. Was verbirgt sich hinter dem Begriffen Auffang-, Beschäftigungs-, Transfer- und Qualifizierungsgesellschaft?
Auffang- bzw. Beschäftigungsgesellschaften führen den laufenden Geschäftsbetrieb in Insolvenz geratener oder von Insolvenz bedrohter Unternehmen fort. Dadurch können in vielen Fällen - notfalls in Verbindung mit einem Gehaltsverzicht - Arbeitsplätze erhalten bleiben und der laufende Betrieb im Rahmen einer neuen Struktur fortgeführt werden.
Eine Transfergesellschaft will demgegenüber nicht weiter beschäftigen, sondern die Mitarbeiter möglichst schnell in neue Beschäftigung bringen. Der Arbeitgeber ist hier in der Regel nicht von Insolvenz bedroht, sondern möchte Arbeitnehmer sozialverträglich abbauen. Der Arbeitnehmer unterschreibt zu diesem Zweck bei seinem alten Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag und schließt zeitgleich mit der Transfergesellschaft einen befristeten Arbeitsvertrag. Finanzielle Basis ist das von der Arbeitsagentur bezahlte Transferkurzarbeitergeld, das ggf. von der Transfergesellschaft aufgestockt wird. Transfergesellschaften sind in § 216b SGB III im Rahmen des Transferkurzarbeitergeldes geregelt und werden auch "betriebsorganisatorisch eigenständige Einheiten" (beE) genannt.
Wenn das Hauptziel einer Transfergesellschaft die Weiterbildung oder Umschulung der Arbeitnehmer ist, so spricht man auch von einer Qualifizierungsgesellschaft.
- 2. Wie lange kann man Mitarbeiter einer Transfergesellschaft sein und wie viel verdient man in dieser Zeit?
Üblicherweise bleiben die Mitarbeiter höchstens ein Jahr in der Transfergesellschaft, denn das zugrunde liegende Kurzarbeitergeld wird von der Arbeitsagentur maximal ein Jahr lang bezahlt. Die Höhe des Kurzarbeitergelds entspricht der Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld I (ALG I). Das Kurzarbeitergeld wird nicht auf den späteren ALG-I-Anspruch angerechnet und auch der Anspruch auf den Gründungszuschuss bleibt in vollem Umfang erhalten. Es kommt also nicht zu einer zeitlichen Kürzung dieser Leistungen!
Das Kurzarbeitergeld wird vom Arbeitgeber ausgezahlt: Während manche Unternehmen bzw. deren Transfergesellschaften ein Jahr lang nur das "nackte" Kurzarbeitergeld bezahlen, stocken andere die Leistung im Rahmen von Betriebsvereinbarungen auf. Einige Arbeitgeber (wie z. B. Siemens) halten die Mitarbeiter bei Bedarf sogar ein zweites Jahr in der Transfergesellschaft. Im zweiten Jahr muss der Arbeitgeber die Personalkosten alleine tragen.
- 3. Wie berechnen sich das spätere ALG I und der Gründungszuschuss?
Eine Aufstockung durch den Arbeitgeber ist aus Sicht der Arbeitnehmer auch deshalb wichtig, weil das spätere Arbeitslosengeld I und damit auch der Gründungszuschuss auf Basis des Einkommens in den zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitslosigkeit berechnet wird: Das heißt also in Höhe des Transferkurzarbeitergeldes plus Aufzahlung.
Praxistipp: Um unbillige Härten zu vermeiden, kann die Arbeitsagentur den Bemessungszeitraum für die Ermittlung der Höhe des ALG I von zwölf auf 24 Monate ausdehnen. In vielen Fällen erhöht sich dadurch die Höhe des ALG-I-Anspruchs und damit des Gründungszuschusses. Das abweichende Berechnungsverfahren muss vom Arbeitslosen aber gesondert beantragt werden.
- 4. Wie sind Transfergesellschaften organisiert?
In der Mehrzahl der Fälle werden Transfergesellschaften nicht vom alten Arbeitgeber, sondern von externen, oft gewerkschaftsnahen Dienstleistern organisiert. Das restrukturierende Unternehmen gibt also einem Dienstleister den Auftrag, Mitarbeiter zu übernehmen. Einige größere Unternehmen haben sich für eine interne Lösung entschieden. Die Mitarbeiter der Transfergesellschaft bleiben dann weiterhin Konzernmitarbeiter. Das hat nicht nur "gefühlte" Vorteile, sondern erleichtert oft auch die Bewerbung - insbesondere bei konzerninternen Einheiten.
- 5. Führen Abfindungen zu Sperrzeiten beim ALG I oder Gründungszuschuss?
Grundsätzlich nicht. Zum Wechsel in Auffang- und Transfergesellschaften gibt es in der Regel ja keine Alternative. Von Freiwilligkeit und damit "versicherungswidrigem Verhalten [...] ohne wichtigen Grund" laut § 144 SGB III kann insofern normalerweise nicht die Rede sein. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine Abfindung bezahlt wird. Um sicher zu sein, dass es zu keiner Anrechnung kommt, sollten Sie vor Ihrer Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag aber sicherheitshalber mit Ihrer Arbeitsagentur sprechen.
- 6. Was geschieht, wenn der Mitarbeiter vor Auslaufen der Kündigungsfrist gründen möchte?
Das ist grundsätzlich auch im Interesse der Arbeitsagentur, die auf diese Weise ja Kurzarbeitergeld einspart. Aber Vorsicht: Falls die vereinbarten Kündigungsfristen nicht eingehalten werden, kann es zu Sperrzeiten kommen. Im Zweifelsfall fragen Sie am besten direkt bei der zuständigen Arbeitsagentur nach: Die ist bei der Abwicklung von Auffang- und Transfergesellschaften ohnehin mit im Boot.
Wenn Mitarbeiter die Transfergesellschaft kurz vor Ende der Kündigungsfrist verlassen wollen, drücken die Berater bei den Arbeitsagenturen oft ein Auge zu und sehen von einer Sperrzeit ab. Einen Rechtsanspruch auf eine derartige unbürokratische Lösung gibt es aber nicht!
- 7. Welche Besonderheiten sind bei Transfergesellschaften in Bezug auf Gründungsförderungen zu beachten?
Die meisten Gründungswilligen wollen bereits im ersten Jahr gründen, während sie noch Transferkurzarbeitergeld erhalten. Beim ehemaligen Überbrückungsgeld war das völlig unproblematisch: Bis zur Einführung des Gründungszuschusses im August 2006 genügte als Fördervoraussetzung bekanntlich die "drohende Arbeitslosigkeit": Diese Bedingung war bei Mitarbeitern einer Transfergesellschaft zweifellos gegeben.
Inzwischen ist die rechtliche Situation wesentlich komplizierter geworden: Vor dem offiziellen Start in die Selbständigkeit muss der Gründer mindestens einen Tag lang arbeitslos gewesen sein. Beim Mitarbeiter einer Transfergesellschaft kann sich die Arbeitsagentur also theoretisch darauf zurückziehen, dass keine Arbeitslosigkeit vorliegt. Aus Sicht aller Beteiligten wäre das jedoch kontraproduktiv: Wenn ein potenzieller Gründer zu lange wartet, verliert er seine Kontakte, seine Qualifikationen veralten und das Selbstbewusstsein erhält unter Umständen einen Knacks.
Die Arbeitsagenturen gehen deshalb vielerorts zu folgender Auslegung über: Sie verzichten auf das Verhängen einer Sperrzeit, sofern die Existenzgründung die einzig realistische Chance ist, Beschäftigung zu finden. Die Flexibilität vieler Agenturen liegt letztlich in ihrem eigenen Interesse: Schließlich finanzieren sie die Mitarbeiter von Transfergesellschaft zu einem erheblichen Teil aus ihren eigenem Etat. Und je länger Mitarbeiter in der Schwebe bleiben, desto höher wird das Risiko - auch für die Behörde.
Erfahrungsgemäß suchen die Arbeitsvermittler deshalb nach sinnvollen, praxisnahen Lösungen: Denn je schneller qualifizierte Gründer ihren eigenen Betrieb aufbauen, desto günstiger wird das unterm Strich für die Arbeitsverwaltungen.
- 8. Langjährige Mitarbeiter erhalten nicht selten hohe Abfindungen. Was raten Sie ihnen?
Die Abfindung fließt in der Regel beim Austritt aus der Transfergesellschaft. Bei hohen Abfindungen ist es wichtig, die sogenannte Fünftelregelung zu nutzen, um den Effekt der Steuerprogression zu verringern. Wichtig: Die Abfindung muss auf einen Schlag gezahlt werden. Wenn es an der "Zusammenballung" fehlt, der Arbeitgeber die Zahlung aus steuerlicher Unkenntnis also zum Beispiel auf zwei Jahre verteilt, muss der Arbeitnehmer in der Konsequenz viel mehr Steuern als nötig bezahlen.
Bei hohen Abfindungen kann es außerdem zu dem paradoxen Effekt kommen, dass sich die Steuerlast durch zusätzliches Einkommen so stark erhöht, dass das Zusatzeinkommen durch die Steuerprogression aufgefressen wird. Da auch das Arbeitslosengeld der Progression unterliegt, kann der Bezug von Arbeitslosengeld im Jahr der Abfindung ein Verlustgeschäft darstellen! Wer eine hohe Abfindung erhält, sollte die steuerlichen Effekte deshalb auf jeden Fall mit seinem Steuerberater besprechen.
Was leider immer noch nicht alle Steuerberater wissen: Der Gründungszuschuss ist unter diesem Gesichtspunkt ganz besonders attraktiv, denn er unterliegt im Gegensatz zum ALG I nicht dem Progressionsvorbehalt: Er hat also keinen Einfluss auf die übrige Steuerbelastung! Weisen Sie Ihren Berater sicherheitshalber auf diesen Sachverhalt hin.