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News zu Gründungszuschuss, Einstiegsgeld, Businessplan & Co

Wichtige rechtliche Änderungen, Tipps zu Steuer und Sozialversicherung, Ideen für mehr Erfolg vor und nach der Gründung - in unserem News-Blog berichten wir ganz aktuell.

Interview mit Michael Wörle: Freie Handwerker sind jetzt in der Mehrheit!


Der Interessenverband der freien Handwerkerinnen und Handwerker  - kurz “IF Handwerk e.V.” tritt seit dem Jahr 2002 gegen den Meisterzwang ein. Die Kernforderung ist dabei: Eine Existenzgründung im Handwerk soll genau so frei sein wie im Einzelhandel - so wie es in allen anderen europäischen Ländern (mit Ausnahme von Luxemburg) die Regel ist und früher auch in Deutschland üblich war. Wir haben uns mit Verbands-Gründer und -Geschäftsführer  Michael Wörle (54) unterhalten.

gruendungszuschuss.de: Vor zwölf Jahren hast Du zusammen mit einer Gruppe von Handwerkern den IF Handwerk e.V. gegründet. Was sind die wichtigsten Erfolge der letzten Jahre?

Wörle: Ich persönlich fand besonders klasse, dass die freie Handwerksausübung enorm zugenommen hat. Die Zahl der Betriebe, deren Inhaber selbst über eine Meisterprüfung verfügt, macht nur noch ein Drittel aus. Wir haben das mit folgender Metapher deutlich gemacht: Wenn nur noch ein Drittel der Fahrer den Führerschein selbst gemacht hat und trotzdem nicht mehr Unfälle passieren als zuvor, dann könnte man auf die Idee kommen, dass man diese Art von Zertifikat gar nicht benötigt. Die mit dem Verzicht auf die Meisterprüfung verbundene Sorge, die Qualität der Leistungen könnte schlechter werden, hat sich nicht bewahrheitet. Das heißt natürlich nicht, dass die Meisterausbildung sinnlos wäre und man die nicht mehr machen dürfte - aber bitte auf freiwilliger Basis, zum Beispiel weil der Meisterbrief von den Kunden als hilfreiches Auswahlkriterium gesehen wird. Davon profitiert letztlich auch wieder die Qualität der Ausbildung.

gruendungszuschuss.de: Was war entscheidend dafür, dass es zu dieser Entwicklung kam?

Wörle: Die Politik hat vor einigen Jahren entschieden, die Führung eines Betriebes weitgehend unabhängig vom Meistertitel zu machen. Geringere Zutrittsbarrieren bedeuten mehr Gründungen und mehr Wettbewerb zugunsten der Kunden. Entscheidend war für die Politik aber noch etwas anderes: In anderen europäischen Ländern ist eine solche Markteintrittsbarriere nicht üblich, mit der Ausnahme von Luxemburg und Deutschland. Ausländische Handwerker können sich ohne Meisterprüfung in Deutschland niederlassen, die Inländer mussten dagegen eine Meisterprüfung vorlegen. Diese Ungleichbehandlung hat nicht nur im Inland Proteste hervorgerrufen, sondern bedeutete auch die Gefahr, dass der Meisterzwang insgesamt aufgehoben wird - auf Druck von Brüssel.

gruendungszuschuss.de: Es gibt aber doch noch Meisterzwang in Deutschland, oder?

Wörle: Ja, den gibt es noch, die Regelungen sind kompliziert und im Detail umstritten.
Das Problem ist vor allem die fehlende Rechtssicherheit. Selbst Experten können keine eindeutige Auskunft geben können, was erlaubt und was verboten ist.

gruendungszuschuss.de: Kann das denn nicht die Handwerkskammer sagen?

Wörle: Die Kammer ist keine Behörde und was die Kammer sagt ist interessengebunden und einseitig. Sie setzen sich vor allem für die Interessen der Meisterbetriebe ein, obwohl die anderen einen erheblichen Teil der Beiträge bezahlen. Viele Aussagen der Kammern haben letztlich bei einer Überprüfung keinen Bestand. Der Gründer braucht aber eine neutrale und verbindliche Auskunft. Die meisten Selbständigen wollen gerne Sicherheit und sich nicht der Gefahr aussetzen, womöglich hohe Strafen zahlen zu müssen. Wenn man aber nicht sagen kann, wann ein Gesetz übertreten wird, dann wird es schwierig.
 
gruendungszuschuss.de: Kannst Du das an einem Beispiel deutlich machen?

Wörle: Gerne! Ttapezieren und überstreichen geht ohne Meistertitel. Aber sobald Du Fenster streichst, geht der Streit schon los. Ein weiteres Beispiel: Ein in die Handwerkskammer eingetragener Ofenbauer musste ein hohes Bußgeld bezahlen, weil er zu viele Fliesen gelegt hat - nämlich -, nicht nur auf dem Ofen, was ihm erlaubt ist, sondern auf Kundenwunsch auch darum herum. Fliesenleger und Ofenbauer sind aber zwei verschiedene Handwerksberufe.
Heute wäre das zwar kein Problem mehr, weil für Fliesenleger kein Meisterzwang gilt. Aber für Ofenleger gilt nach wie vor der Meisterzwang. Ein Fliesenleger dürfte also keinesfalls Fliesen auf einem Kachelofen verlegen. Längst sind noch nicht alle Gewerke frei vom Meisterzwang, deshalb passieren noch heute solche Absurditäten. Wer die eng gesetzten Grenzen überschreitet, verletzt das Gesetz und kann wegen Schwarzarbeit belangt werden, auch wenn er ganz korrekt seine Rechnungen stellt.

gruendungszuschuss.de: Wie hilft der IF Handwerk den Betroffenen?

Wörle: Wir fordern seit Jahren vom Bund Klarheit in Bezug darauf, wann genau der Meisterzwang gilt und wann nicht. Als erster Verband überhaupt wurden wir vom Bund-Länder-Ausschuss eingeladen. Er hat die Aufgabe, das Handwerkrecht bundesweit zu koordinieren. Denn dessen Umsetzung ist Ländersache bzw. kommunale Angelegenheit (Ordnungsämter). Eine strittige Frage war, ob die Ordnungsämter auf Fragen des Meisterzwangs überhaupt eine verbindliche Auskunft geben müssen. Wir haben erreicht, dass die Antwort ja lautet. Das heißt jetzt aber nicht, dass sie es auch tun können. Oft fehlt ihnen das spezielle Fachwissen und deshalb wiederholen sie einfach, was die Handwerkskammer als Interessenvertreter geäußert hat.
Wenn aber die Behörden nicht wissen, was erlaubt und was verboten ist, dann ist das ungerecht und es fehlt an Rechtssicherheit. Es bleibt nur die Schlußfolgerung: Ein solches Gesetz muss weg. Es ist undurchführbar. Deshalb fordern wir die Abschaffung des Meisterzwangs für alle Handwerksberufe.

gruendungszuschuss.de: Wie groß sind denn die Chancen, dass Ihr das erreicht?

Wörle: Nun, die Situation, die wir jetzt erreicht haben, hätte ich vor zehn Jahren nicht für möglich gehalten. Von daher bin ich optimistisch, dass das bestehende  Relikt eines nicht zu fernen Tages ganz überwunden wird.

gruendungszuschuss.de: Du hast einen erheblichen Beitrag geleistet zu dieser Entwicklung. Mit welchen Mitteln hast Du das geschafft?

Wörle: Ich habe zu dem Thema ein Buch geschrieben, "Existenzgründung ohne Meisterbrief", das sich etwa 50.000 mal verkauft hat und dessen Tipps weit verbreitet wurden. Die Pressearbeit war ganz einfach: Jedem Journalisten ist sofort klar, dass es undenkbar wäre, erst eine Gesellenzeit zu machen und dann eine Meisterprüfung abzulegen, bevor der einen ersten Beitrag auf eigene Rechnung veröffentlichen darf.
Hinzu kommt: Vertreter einer neuen Generation von Handwerkern wollen sich die ganze Bürokratie nicht mehr gefallen lassen, ist gegen absurde Regelungen erfolgreich gerichtlich vorgegangen und hat auch passiven Widerstand ausgeübt, die Regeln einfach ignoriert. Zwar gab und gibt es Einsatzteams, die solche Ordnungswidrigkeiten verfolgen sollen. Weil das Handwerksrecht so unglaublich kompliziert ist, waren in einer Stadt wie Hamburg 20 verschiedene Behörden mit der Verfolgung von freien Handwerkern beschäftigt. Letztlich zeigte sich, dass die Verfolgung angesichts eines breiten Widerstands so kompliziert wurde, dass sich das einfach nicht mehr gerechnet hat. Man hat dann die Einsatzgruppen zunehmend abgebaut.

gruendungszuschuss.de: Eine weitere Eurer Forderungen ist ja, dass die Rentenversicherungspflicht für Handwerker abgeschafft wird?

Wörle: Richtig, denn es ist nicht nachzuvollziehen, warum man ausgerechnet Handwerkern die Fähigkeit abspricht, von Anfang an eigenverantwortlich eine Altersvorsorge aufzubauen, während z.B. Einzelhändler diese Möglichkeit ganz selbstverständlich haben. Die Handwerker hätten sogar von dem 2012 geplanten und inzwischen verworfenen Altersvorsorgegesetz profitiert, denn es wäre immer noch besser gewesen als ihre aktuelle Situation.

gruendungszuschuss.de: Wie funktioniert die aktuelle Rentenversicherungspflicht für selbständige Handwerker?

Wörle: Wer sich aufgrund der eigenen Befähigung (also z.B. Meistertitel) in die Handwerksrolle eingetragen lässt und keine GmbH führt, muss den vollen Arbeitgeber- und -nehmerbeitrag zahlen: An die 20 Prozent des Gewinns, nur für die Rentenversicherung, die ja als Altersvorsorge gar nicht ausreicht und niedrige Renditen aufweist. Das ist sehr viel Geld.
Existenzgründer erhalten die ersten drei Jahre einen Rabatt von 50 Prozent, müssen also nur die halben Beiträge bezahlen, natürlich mit entsprechend geringerem Rentenanspruch.
Freie Handwerker müssen nicht zahlen. Viele Handwerker verzichten extra auf eine Eintragung in die Handwerksrolle und melden ein Reisegewerbe an, um die Versicherungspflicht zu umgehen, obwohl sie über einen Meistertitel verfügen. Andere gründen eine GmbH, was aber mit erheblichen zusätzlichen Kosten und bürokratischem Aufwand verbunden ist.
Alle anderen müssen insgesamt 216 Monatsbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, also insgesamt 18 Jahre lang. Danach können sie dann endlich frei entscheiden - zumindest in Hinblich auf ihre Altersvorsorge.

Mehr Informationen zum IF-Handwerk:
www.if-handwerk.de

Verfasst von Max Hilgarth am 16.04.2014 11:00
http://www.gruendungszuschuss.de/?id=15&showblog=3439

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