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Freiberufler oder Gewerbe? - Der kleine Unterschied und seine Folgen

Arbeitsmittel eines typischen Freiberuflers

Freiberufler haben's gut: Sie bezahlen weniger Steuern, dürfen unabhängig von der Höhe Ihrer Umsätze und Gewinn eine vereinfachte Buchführung verwenden, müssen weniger Melde- und Prüfvorschriften beachten und genießen auch sonst zahlreiche Sonderrechte.

Ist das übrerhaupt zulässig? - Im folgenden Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Befreiung der Freiberufler von der Gewerbesteuer einmal mehr als verfassungsgemäß eingestuft (Az. 1 BvL 2/04). Und das, obwohl sich das Berufsbild mancher freien Berufe unzweifelhaft an das von Gewerbetreibenden annähert.

Nicht nur wegen der steuerlichen Ungleichbehandlung sollten Sie den Unterschied zwischen Freiberuflern und Gewerbetreibenden schon bei der Anmeldung ihrer Selbständigkeit kennen: Auch auf anderen Rechtsgebieten kann der Unterschied eine Rolle spielen. Und nicht immer kommen verschiedene Stellen bei einer Statusprüfung zum gleichen Ergebnis. Wir erklären im Folgenden, wonach sich Ihre Einordnung richtet und welche Konsequenzen das für Sie hat.

Freiberuflich = selbständig = freier Beruf = freier Mitarbeiter?

Vielfach werden die Bezeichnungen "selbständig" und "freiberuflich" synonym verwendet. Das hängt damit zusammen, dass freie Mitarbeiter häufig mit Freiberuflern verwechselt werden (das ist nicht dasselbe!) und auch das Finanzamt trägt seinen Teil dazu bei: Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit" machen laut Einkommensteuergesetz einen Teil der "Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit" aus.

Im Sozialversicherungsrecht spielt die Unterscheidung keine entscheidende Rolle: Hier verläuft die Grenzlinie vielmehr grundsätzlich zwischen (abhängiger) Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit - ganz gleich, ob sie unter steuerlichen Gesichtspunkten freiberuflich oder im Rahmen eines Gewerbebetriebes erbracht wird. Ein Gewerbetreibender kann demnach genauso als "scheinselbständig" eingestuft werden wie ein Freiberufler, der auf eigene Rechnung arbeitet.

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Entscheidend ist dabei immer die betriebliche Praxis. Welche Vertragsart zwischen den Geschäftspartnern geschlossen wird (z. B. Werkvertrag statt Dienstvertrag) und wie die Form der Kooperation genannt wird ("Vertrag über freie Mitarbeit") spielt im Ernstfall keine Rolle: Ob es sich um einen Auftragnehmer ("Freier Mitarbeiter") oder einen Arbeitnehmer handelt, wird im Zweifel anhand von Selbständigkeits-Merkmalen abgeprüft (z. B. Vorhandensein eigener Geschäftsräume, Auftreten am Markt, Werbung, Zahl und Auftragsvolumen unterschiedlicher Auftraggeber, Zahl eigener Mitarbeiter).

Dass ein Auftragnehmer Angehöriger eines "Freien Berufs" (z. B. Rechtsanwalt oder Architekt) ist und mehr oder weniger anspruchsvolle Tätigkeiten ausübt, ist dabei nachrangig. Schließlich können auch Rechtsanwälte oder Architekten abhängig beschäftigt sein - wie das Beispiel des Rechtsanwalts zeigt, der von einem mittelständischen Unternehmen als Justiziar eingestellt wird, oder des Architekten, der als Verwaltungsbeamter beim Bauamt arbeitet.

Typische Freiberufler

Welche Berufe als "Freie Berufe" anerkannt sind, steht in § 18 des Einkommensteuergesetzes. Dort hat der Gesetzgeber vor fast 50 Jahren eine Liste sogenannter Katalogberufe zusammengestellt, auf die sich auch viele andere Gesetze beziehen. Als freiberuflich gelten demnach:

  • Heilberufe: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplompsychologen,
  • Rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende Berufe: Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer (und Buchrevisoren),
  • Naturwissenschaftliche / technische Berufe: Vermessungsingenieure, Ingenieure, Handelschemiker, Architekten, Lotsen, hauptberufliche Sachverständige.
  • Informationsvermittelnde Berufe / Kulturberufe: Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer (und ähnliche Berufe), Wissenschaftler sowie
  • Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.

Wichtig: Durch den abschließenden Verweis auf "ähnliche Berufe" hat der Gesetzgeber klar gemacht, dass es sich beim Katalog der "Freien Berufe" nicht um eine abschließende Aufzählung handelt.

Kriterien für "ähnliche Tätigkeiten"

Bei neuen Berufsbildern müssen die Gerichte prüfen, ob es sich um Tätigkeiten handelt, die den Katalogberufen ähnlich sind und damit ebenfalls als freie Berufe eingestuft werden können. Die Gerichte entscheiden danach, ob im Zweifelsfall eine vergleichbare Tätigkeit, eine vergleichbare Ausbildung beziehungsweise eine vergleichbare gesetzliche Erlaubnis vorliegt. Die Ähnlichkeit wird dabei recht eng ausgelegt.

Eindeutige Kriterien für die Feststellung der Freiberuflichkeit gibt es nicht. Einen brauchbaren Anhaltspunkt bietet aber die Definition der "Freien Berufe", die sich im "Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften von Angehörigen Freier Berufe" findet:

"Die Freien Berufe haben im allgemeinen

  • auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung
  • die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung
  • von Dienstleistungen höherer Art
  • im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit

zum Inhalt."

Bei ihren "Dienstleistungen höherer Art" dürfen sich Freiberufler durchaus der Unterstützung fachlich qualifizierter Mitarbeiter bedienen (wie das zum Beispiel bei Ärzten oder Steuerberatern seit eh und je der Fall ist). Die volle fachliche Verantwortung für jeden einzelnen Auftrag muss dabei jedoch beim Chef selbst liegen. Anderenfalls handelt es sich nicht mehr um eine "persönliche, eigenverantwortliche Leistung".

Typische Gewerbebetriebe

Industrie, Handwerk, Handel und "einfache Dienstleistungen" gelten demgegenüber eindeutig als Gewerbebetriebe. Dazu zählen die folgenden Wirtschaftszweige:

  • industrielle Fertigung,
  • Handwerk und handwerksnahe Berufe mit Ausnahme künstlerischer Tätigkeiten,
  • Groß- und Einzelhandel (im weitesten Sinne der Verkauf von Produkten),
  • Gastronomie und Hotellerie
  • "einfache" Dienstleistungen (zum Beispiel haushaltsnahe Dienstleistungen wie Reinigung oder Reparaturen)
  • Vertreter, Vermittler und Agenturen sowie
  • Geld- und Vermögensberater.

Unabhängig vom Wirtschaftszweig und der Art der Tätigkeit gelten darüber hinaus alle Kapitalgesellschaften (GmbHs und Aktiengesellschaften) durch ihre Rechtsform automatisch als gewerblich.

Unterschiede im Steuerrecht

Ganz gleich, wie hoch Ihre Umsätze und Gewinne sind: Als selbständiger Freiberufler zahlen Sie keine Gewerbesteuer. Im Rahmen Ihrer Einkommensteuererklärung melden Sie Ihre "Einkünfte aus selbständigen Tätigkeiten" an - Gewerbesteuererklärungen und Vorauszahlungen sind in dem Fall nicht erforderlich.

Die Gewerbesteuerpflicht greift bei gewerblichen Einzelunternehmen und Personengesellschaften zum Glück erst ab einem jährlichen Gewinn von rund 24.500 Euro. Für Kleinunternehmer, deren Einkünfte auf Dauer deutlich unterhalb dieser Schwelle bleiben, macht es steuerlich unterm Strich also überhaupt keinen Unterschied, ob die Gewinne mit freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeiten erzielt worden sind. Bei dieser Gruppe von Steuerpflichtigen sind die Finanzämter bei der Status-Unterscheidung erfahrungsgemäß auch nicht (mehr) besonders pingelig.

Sofern Ihre Tätigkeit als freiberuflich eingestuft werden kann, sollten Sie  aber trotzdem von vornherein jeden Anschein gewerblicher Tätigkeit vermeiden: Denn erstens könnte sich die Ertragslage im Laufe der Zeit ja verbessern. Selbst wenn sich die finanzielle Zusatzbelastung dabei unterm Strich in Grenzen hält, müssen Sie dann die bürokratischen Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes befolgen.

Viel wichtiger noch: Als Freiberufler können Sie sich unabhängig von der Höhe Ihrer Umsätze und Gewinne die aufwendige doppelte Buchführung sparen und brauchen keine Bilanz zu erstellen. Eine einfache Einnahmen-Überschussrechnung genügt. Das erspart Ihnen erfahrungsgemäß sehr viel Arbeit oder Ausgaben für qualifizierte Mitarbeiter oder Dienstleister.

"Infektion" vermeiden!

Nicht jede Einnahme aus dem Verkauf eines Produkts oder der Erledigung einer gewerblichen Leistung macht aus einem Freiberufler automatisch einen Gewerbetreibenden: Das gilt vor allem dann, wenn mit dem Erlös kein Gewinn erzielt wird oder es sich um Hilfsleistungen handelt, ohne die die freiberufliche Haupttätigkeit nicht ausgeübt werden kann. Denken Sie nur an die Gebührenpauschalen von Rechtsanwälten oder an den Arzt, der ein Stärkungsmittel vertreibt.

Spätestens jedoch, wenn mit dem Verkauf von Produkten, gewerblichen Dienstleistungen oder Vermittlungen Gewinne erzielt werden sollen, laufen Sie Gefahr, Ihre Freiberuflichkeit gewerblich zu "infizieren". Mit gravierenden Folgen: Denn die Einstufung als Gewerbebetrieb gilt das für den gesamten Betrieb, auch wenn der gewerbliche Anteil verschwindend gering ist! Die "Abfärberegel" wurde in dem eingangs erwähnten Urteil des  Bundesverfassungsgericht ebenfalls als verfassungsgemäß eingestuft (Az. 1 BvL 2/04).

Dass Sie sowohl Einkünfte aus freiberuflichen Tätigkeiten als auch aus Gewerbebetrieb haben, dagegen hat das Finanzamt überhaupt nichts einzuwenden: Bei einer solchen Kombination sollten Sie die beiden unterschiedlichen Einkunftsarten aber möglichst sauber voneinander trennen.

Und zwar am besten nach innen und außen, also mit verschiedenen Geschäftspapieren, über unterschiedliche Bankkonten und separate Buchführungen. Unter bestimmten Umständen genügen aber auch schon separate Einnahmen- und Ausgabekonten für die unterschiedlichen Betätigungsfelder. Fehlen auch die, ist die "Infektionsgefahr" sehr groß.

Tipp: Bevor Sie ohne Not ein zweites Unternehmen gründen, sollten Sie mit Ihrem Steuerberater oder mithilfe Ihres Berufs- oder Branchenverbands klären, welche Nebeneinkünfte in Ihrem Fall im Rahmen der Freiberuflichkeit zulässig sind.

Weitere Unterschiede

  • Gewerbeanmeldung: Freiberufler fallen nicht unter die Gewerbeordnung. Die Liste der Berufe in § 6 Gewerbeordnung unterscheidet sich allerdings von der Aufzählung des Einkommensteuergesetzes. Für die Aufnahme einer selbständigen freiberuflichen Tätigkeit reicht eine Mitteilung ans Finanzamt - eine separate Steuernummer ist normalerweise entbehrlich. Sie müssen Ihr Unternehmen nicht beim Gewerbeamt anmelden, benötigen keinen Gewerbeschein und unterliegen nicht der Gewerbeaufsicht. Freiberufler sind bei ihrer Standortwahl außerdem grundsätzlich nicht davon abhängig, ob es sich um ein Gewerbegebiet handelt oder ob der lokale Bebauungsplan geschäftlichen Aktivitäten auf andere Weise einschränkt. Schließlich brauchen sie die durch § 15b Gewerbeordnung verschärften gesetzlichen Formvorschriften von Gewerbetreibenden (noch) nicht zu beachten: Der bürgerliche Name und eine ladungsfähige Anschrift genügen bislang.
  • Kammermitgliedschaft: Durch die entbehrliche Gewerbeanmeldung werden Freiberufler vom Ordnungsamt auch nicht obligatorisch bei der Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer angemeldet, wie das bei Gewerbetreibenden der Fall ist: Die damit verbundenen Pflichtbeiträge entfallen. In vielen Fällen müssen Freiberufler überhaupt keiner Kammer oder Berufsorganisation beitreten. Aufs Jahr gesehen lassen sich auf diese Weise leicht mehrere hundert Euro sparen.
  • Handelsrecht: Weil Freiberufler kein Handelsgewerbe führen, sind sie per Definition keine Kaufleute. Damit gelten die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs für sie auch dann nicht, wenn ihr Unternehmen im Laufe der Zeit "nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb" erfordern sollte! Verglichen mit betroffenen Gewerbetreibenden erspart ihnen das nicht nur erheblichen organisatorischen Zusatzaufwand, Melde-, Veröffentlichungs- und Prüfpflichten: Auch mit den zwischen Kaufleuten üblichen Handelsbräuchen (wie zum Beispiel dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben) müssen Freiberufler nicht unbedingt vertraut sein.
  • Sozialversicherungsrecht: Selbständige Freiberufler können unter Umständen sozialversicherungspflichtig sein. Manchmal ist der damit einhergehende Versicherungsschutz sehr erwünscht (wie zum Beispiel bei vielen Künstlern und Publizisten, die sich alle Mühe geben, Pflichtmitglieder in der Künstlersozialkasse zu werden, weil sie so in den Genuss eines 50-prozentigen "Arbeitgeberzuschusses" zu den Versicherungsbeiträgen zu kommen). Andererseits besteht aber auch die Gefahr, ungewollt versicherungspflichtig zu werden, wie das Beispiel selbständiger Dozenten und Trainer zeigt, die in manchen Fällen ungewollt Rentenbeiträge zahlen müssen - oft sogar nachträglich. Ob sie zuvor vom Finanzamt oder Gewerbeaufsichtsamt als Gewerbetreibende oder Freiberufler eingestuft worden sind, spielt für die Beurteilung ihres Sozialversicherungs-Status letztlich jedoch keine Rolle: Für dessen Beurteilung ist die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger zuständig.

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