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Interview mit Michael Wörle: "Der Meisterzwang ist ungerecht und muss abgeschafft werden"


(gruendungszuschuss.de) Meine Arbeit bringt mich mit interessanten Menschen zusammen, deren Meinung vom Mainstream abweicht. Michael Wörle ist so einer. Er eckt gerne und häufig an. Mit seinem Buch „Selbständig ohne Meisterzwang“ zeigt er Wege vorbei an den Handwerkskammern, im Rahmen des von ihm gegründeten „Interessenverband freier und kritischer Handwerkerinnen und Handwerker“ hilft er tüchtigen Handwerkern, sich auch ohne Meistertitel selbständig zu machen.

Gruendungszuschuss.de: Warum ist das deutsche Handwerksrecht aus Ihrer Sicht ein Problem? Können Sie ein Beispiel nennen?

Wörle: Ich hatte gerade gestern einen Anruf von einem Handwerker, der legal ohne Meister tätig ist und einen Auftrag bekam, den sein Konkurrent - ein Meisterbetrieb - haben wollte. Daraufhin wurde er vom Zoll sechs mal kontrolliert! Er bekam ein Standardschreiben der Handwerkskammer, dass er in die Handwerksrolle eingetragen werden müsse, daraufhin leitete das Ordnungsamt dann ein Ermittlungsverfahren ein. Wie es dem Mann jetzt geht, können Sie sich sicher vorstellen. Aber so sieht die alltägliche Diskriminierung aus. Der Fall zeigt mal wieder: Handwerksrecht ist unlauterer Konkurrenzschutz. Unlauter deshalb, weil es gegen das Grundrecht auf freie Berufswahl verstößt.

Gruendungszuschuss.de: Im Geleitwort zu Ihrem Buch schreibt der ehemalige Wirtschaftsweise Prof. Donges: „Im Bundeswirtschaftsministerium und im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wird die Neuauflage dieses Buches keine Begeisterung auslösen". Was ist Ihre Motivation, sich mit solchen übermächtig erscheinenden Organisationen anzulegen?

Wörle: Wir sind der Stachel im Fleisch dieser beiden Organisationen. Wir finden die Verhältnisse im Handwerk grundlegend ungerecht und finden, dass man etwas dagegen tun muss. Durch den Meisterzwang sollen neue Anbieter vom Markt ferngehalten werden, dabei sind Meister nicht zwangsläufig besser qualifiziert als andere Anbieter. Warum soll sich nicht auch ein gut qualifizierter Geselle oder Quereinsteiger selbständig machen können?
Es ist legitim für den ZDH, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten. Nicht legitim ist es, zu behaupten, dass man für das Handwerk als Ganzes eintritt, denn tatsächlich vertreten die Handwerkskammern nur die Interessen etablierter Anbieter.
Es ist nicht schwer, den Nachweis zu erbringen, welche Marktdynamik eine Liberalisierung des Zugangs zum Handwerksberuf auslösen könnte. Schon die Liberalisierung im Jahr 2004, damals in Verbindung mit der Einführung der Ich-AG, hat dazu geführt, dass die Kammern mit Anträgen überschwemmt wurden.

Gruendungszuschuss.de: Was hat das mit Gerechtigkeit zu tun?

Wörle: Die Kunden sollen entscheiden, nicht die Behörden. In der Praxis können die Gewerbeämter selten sagen, ob eine Tätigkeit im Handwerk zulassungspflichtig ist oder nicht. Der eine Beamte ist großzügiger, der andere strenger. Da kann man auch gleich würfeln. Im Zweifel wird zu Unrecht an die Handwerkskammern verwiesen. Und die sagen dann: Für die Zulassung müssen Sie erst die Meisterprüfung ablegen.

Gruendungszuschuss.de: Was verschweigen die Handwerkskammern?

Wörle: Sie verschweigen regelmäßig, dass es Ausnahmeregelungen gibt, ohne die Meisterprüfung nachzumachen. Sie verschweigen auch, dass es noch viele weitere Möglichkeiten gibt, sich auch ohne Meisterprüfung  selbständig zu machen. In meinem Buch habe ich 17 verschiedene Wege beschrieben, auch ohne Meisterprüfung selbständiger Handwerker werden zu dürfen. Die Handwerkskammern kalkulieren damit, dass sich ein großer Teil der Anfragenden abschrecken lässt und es sich mit der Selbständigkeit noch mal überlegt. So hält man sich Konkurrenten vom Leibe.

Gruendungszuschuss.de: Was sollte an der Handwerksordnung geändert werden?

Wörle: Der Meisterzwang im Handwerk sollte fallen gelassen werden. Damit würde das Handwerk mit dem Handel und der Industrie gleichgestellt. Das Handwerk sollte nicht anders als andere Branchen behandelt werden. Warum muss ein Bäcker erst seinen Meister machen, ein Restaurant eröffnen darf dagegen jeder? Stellen Sie sich vor, jeder, der sich in der Gastronomie betätigen wollte, müsste künftig die Meisterprüfung machen. Was würde dann ein Essen im Restaurant kosten?

Gruendungszuschuss.de: Ist die Handwerksausbildung sinnvoll und vernünftig?

Wörle: Die Handwerker haben ja als eine der wenigen Berufsgruppen eine Art Unternehmerausbildung. Gerade der betriebswirtschaftliche Teil der Meisterausbildung geht aber an den Bedürfnissen der angehenden Unternehmer meist vorbei. Da werden Lehrbücher verwendet, in denen zum Teil nicht mal das Wort „Handwerk“ vorkommt. Angehende Handwerker brauchen nicht unbedingt Kenntnisse in der Bilanzanalyse und auch nicht immer Kenntnisse im Arbeits- und Sozialrecht. Viele wollen ja gar keine Mitarbeiter anstellen. Das sind Anforderungen, die zu hohen Barrieren errichten und zu einer Fehlqualifikation führen, denn oft fehlt es in anderen Bereichen an ganz grundlegendem Wissen.

Gruendungszuschuss.de: Für Sie ist der Meisterzwang im Grunde überflüssige Bürokratie. Über welche anderen Dinge ärgern Sie sich noch?

Wörle: Man könnte in Deutschland noch vieles einfacher organisieren und den Selbständigen das Leben leichter machen. Bei all den Dingen, die man beachten und wissen muss, hat mancher Gründer kaum noch Zeit für das Gewinnen von Kunden und das Erbringen von Leistungen, die er dann in Rechnung stellen kann. Warum müssen Selbständige in der Krankenversicherung hohe Mindestbeiträge bezahlen? Warum gilt für angestellte Minijobber eine Flatrate bei Steuern und Sozialversicherung, nicht aber für Selbständige mit kleinem Einkommen? Warum ist das Umsatzsteuerrecht so unglaublich kompliziert? Wenn es gelänge, den einen oder anderen alten Zopf abzuschneiden, würde dies wenig kosten und zu mehr Wettbewerb und wirtschaftliche Dynamik führen. Die Deutschen müssen beweglicher werden.

Verfasst von Andreas Lutz am 08.03.2011 11:30
http://www.gruendungszuschuss.de/?id=128&showblog=2952

Kommentare

Guten Tag,ich kann die Vorbemerkungen nur beste4tigen, darf aber darauf hewniisen dass bei unseren Handwerkskammerseminaren auch Teilnehmer zugelassen werden kf6nnen die keine Meisterprfcfung haben aber einen Nachweis fcber eine mehrje4hrige Erfahrung in diesem Dienstleistungssegment nachweisen kf6nnen.Mit freundlichen GrfcdfenKlaus NeugebauerKN-MARKETINGFacility ManagementConsulting & Seminare

Verfasst von Diana am 13.10.2015 22:54

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